(verpd) Ein Autofahrer, der sich vorsätzlich unerlaubt von einer Unfallstelle entfernt, handelt in der Regel arglistig. Sein Kfz-Haftpflichtversicherer hat daher die Möglichkeit, ihn nach erfolgter Schadenregulierung in Regress zu nehmen. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Saarbrücken hervor (Az.: 13 S 75/10).
Ein Autofahrer war mit einem Fahrzeug seines Arbeitgebers unterwegs, als er bei einem Versuch vor einem Haus zu parken, angeblich ohne es bemerkt zu haben, gegen einen dort abgestellten Pkw stieß. Er brach den Parkversuch ab und fuhr weiter.
Nicht verantwortlich?
Als er auf dem Rückweg an dem Unfallort vorbeikam, bemerkte er Jugendliche, die an dem dort noch immer geparkten Pkw standen und sowohl diesen als auch sein eigenes Fahrzeug fotografierten. Er hielt daher an und fragte die Jugendlichen nach dem Grund für die Aufnahmen. Diese sagten ihm, dass er zuvor das geparkte Fahrzeug beschädigt habe.
Der Beklagte stellte an dem Pkw zwar eine leichte Eindellung fest. Da das von ihm gefahrene Fahrzeug jedoch keinerlei Beschädigungen aufwies, bestritt er, den Schaden verursacht zu haben, und fuhr zu seiner Firma.
Dort angekommen berichtete er seinem Vorgesetzten von dem Vorfall. Dieser erklärte ihm, dass sich der Eigentümer des beschädigten Pkw bereits gemeldet habe. Der Beklagte suchte diesen daher am nächsten Tag auf, um ihm den Sachverhalt aus seiner Sicht zu schildern.
Vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht
Nachdem auch die Polizei eingeschaltet wurde und der Beklagte einräumen musste, sich zu der fraglichen Zeit am Unfallort aufgehalten zu haben, wurde er wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.
Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Firmenwagens regulierte zwar den Schaden, nahm aber den Fahrer wegen vorsätzlicher Verletzung seiner Aufklärungspflicht in Regress.
In dem sich anschließenden Rechtsstreit verteidigte sich der Beklagte damit, dass die mögliche Obliegenheitsverletzung nicht dazu geeignet gewesen sei, die Interessen des Versicherers zu gefährden. Denn schließlich habe er eine Beteiligung an dem Vorfall eingeräumt und dem Versicherer gegenüber auch freimütig alle von ihm erbetenen Informationen erteilt.
Arglist
Der Versicherer ging hingegen davon aus, dass der Beklagte arglistig gehandelt hatte, als er sich unerlaubt von dem Unfallort entfernte. Denn schließlich habe zwischen dem Unfall und der Unterrichtung des Geschädigten ein Zeitraum von 24 Stunden gelegen. Es könne daher nicht von einer unverzüglichen Reaktion die Rede sein.
Arglistiges Handeln berechtige einen Versicherer gemäß Paragraf 28 Absatz 3 Satz 2 VVG (Versicherungsvertrags-Gesetz) jedoch dazu, einem Versicherten wegen Verletzung seiner vertraglichen Obliegenheiten den Versicherungsschutz zu versagen.
Dem stimmten die Richter des Saarbrücker Landgerichts zu. Sie gaben der Regressforderung des Versicherers statt.
Obliegenheitsverletzung
Laut Gericht hat der Beklagte dadurch, dass er den Unfallort verlassen hatte, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, vorsätzlich gegen die ihm obliegende Aufklärungspflicht aus dem Versicherungsvertrag verstoßen.
Denn spätestens, nachdem ihn die am Unfallort anwesenden Jugendlichen unmissverständlich auf den Unfall aufmerksam gemacht hatten, wusste er, dass ein Schadenereignis vorlag, das ihn zum Abwarten verpflichtete.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, es zu diesem Zeitpunkt für unmöglich gehalten zu haben, für den Schaden an dem geparkten Pkw verantwortlich zu sein. Denn dann hätte er seinem Arbeitgeber nach Rückkehr in die Firma wohl kaum von dem Zwischenfall berichtet, so das Gericht.
Elementare Pflicht
Im Übrigen stellt das Gebot, nach einem Verkehrsunfall die Unfallaufnahme durch die Polizei an Ort und Stelle abzuwarten, eine elementare, allgemeine und jedem Kraftfahrer bekannte Pflicht dar. Ein Versicherter handelt daher arglistig, wenn er vorsätzlich einen Unfallort verlässt, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.
Nach Ansicht des Gerichts liegt ein Fall von Arglist immer dann vor, wenn sich ein Versicherter bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann.
Davon gingen die Richter in dem zu entscheidenden Fall jedoch aus. „Denn durch nachträgliche Angaben, deren Wahrheitsgehalt oft nicht überprüft werden kann, ist eine Aufklärung gerade nicht zuverlässig gewährleistet“, heißt es abschließend in der Urteilsbegründung.
Sonstige Strafen bei Unfallflucht
Grundsätzlich gilt: Wer sich als Unfallbeteiligter unerlaubt vom Unfallort entfernt, kann nach Paragraf 142 StGB (Strafgesetzbuch) hart bestraft werden.
Ihm droht eine hohe Geldbuße und in besonders gravierenden Fällen sogar eine Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren.
Zudem muss er mit einem Eintrag von sieben Punkten in das Verkehrszentralregister in Flensburg sowie dem Entzug des Führerscheins für mindestens sechs Monate rechnen.